Finanzielle Intelligenz und emotionale Intelligenz: Warum in der Führung beides gebraucht wird.

In einer komplexen und dynamischen Arbeitswelt stehen Führungskräfte vor der Herausforderung, wirtschaftliche Ziele zu erreichen und gleichzeitig eine mitarbeiterzentrierte Unternehmenskultur zu schaffen. In diesem Spannungsfeld werden oft emotionale Intelligenz (EI) und zwischenmenschliche Kompetenzen betont. Dabei bleibt jedoch eine kritische Fähigkeit oft unbeachtet: die finanzielle Intelligenz (FI). Sie beschreibt die Kompetenz, finanzielle Zusammenhänge zu verstehen, Entscheidungen auf Grundlage fundierter Daten zu treffen und diese strategisch in den Unternehmenskontext einzubetten.

Eine Betrachtung der Relevanz beider Intelligenzformen aus der Perspektive der Wirtschaftspsychologie und der Ökonomie zeigt, warum ein Gleichgewicht zwischen emotionalem Feingefühl und finanzieller Weitsicht für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens essenziell ist.

Während es zu beiden Themen viel Literatur gibt, konnte ich kaum Literatur finden, die sich mit dem Zusammenspiel der beiden Fähigkeiten FI und EI beschäftigt und untersucht, wie diese bei Führungskräften in der heutigen hochkomplexen Wirtschaftswelt zu Vorteilen in der Führung und zum Erfolg von Unternehmen beitragen können. Ich bin überzeugt, dass beides sehr wichtige Erfolgsfaktoren sind. Meine persönliche Erfahrung (äusserst subjektive Wahrnehmung natürlich) zeigt, dass Unternehmen im 20. Jahrhundert fast nur auf finanzielle Fähigkeiten der Manager achteten, während die emotionale Intelligenz nicht sehr gefragt war. Seit dem Jahrtausendwandel brach diese Grenze aber immer weiter auf und auch Unternehmen erkennen, wie wichtig emotionale Intelligenz auch für das Unternehmen als Ganzes sein kann. 

Quellen wie das World Economic Forum, das EI als „future skill“ bezeichnet, und Studien von Deloitte unterstreichen, dass die Nachfrage nach EI-Kompetenzen in Führung weiter steigen wird, insbesondere in unsicheren und dynamischen Branchen.

Derzeit beobachte ich einen Trend, in dem Unternehmen durch die unsichere Wirtschaftslage wieder mehr auf «altbewährtes» zurückgreifen und «harte Manager» bevorzugen, die sehr auf Geschäftszahlen aus sind und diese knallhart optimieren. Aus diesem Grund finde ich es höchst interessant, die beiden Aspekte EI und FI gemeinsam zu beleuchten.

Was ist finanzielle Intelligenz?

Finanzielle Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit, komplexe finanzielle Sachverhalte zu analysieren, zu interpretieren und strategisch in Entscheidungen umzusetzen. Dies umfasst:

  1. Datenanalyse: Die Interpretation von Kennzahlen wie Gewinnmargen, Liquidität und ROI.
  2. Risikomanagement: Die Erkennung potenzieller finanzieller Risiken und Chancen.
  3. Strategisches Denken: Die Integration finanzieller Erkenntnisse in langfristige Unternehmensziele.
  4. Kommunikation: Die Fähigkeit, finanzielle Entscheidungen transparent und verständlich zu kommunizieren.

Forschung zeigt, dass Führungskräfte mit hoher finanzieller Intelligenz fundierte Entscheidungen treffen, die nicht nur kurzfristige Gewinne maximieren, sondern auch auf langfristige Stabilität abzielen (McKinsey & Company, 2020).

Ein Beispiel dafür ist die Anwendung von VUCA und BANI Konzepten, die in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen (VUCA) Welt helfen, flexible und adaptive Strategien zu entwickeln. BANI (brüchig, ängstlich, nicht-linear und unbegreiflich) erweitert diese Perspektive, indem es die emotionale Belastbarkeit und Anpassungsfähigkeit in Krisensituationen hervorhebt. BANI war für mich persönlich ein neues Konzept, dem ich in Gernot Mödritscher’s Podcast «essentials on strategy» in Folge 32 (Youtube – siehe Quellen) das erste Mal begegnet bin.

Die Bedeutung emotionaler Intelligenz in der Führung

Daniel Goleman (1995) beschreibt emotionale Intelligenz als die Fähigkeit, eigene Emotionen und die anderer Menschen zu erkennen, zu verstehen und effektiv zu nutzen. In der Führung spielt sie eine entscheidende Rolle, um:

  • Vertrauen aufzubauen,
  • Mitarbeiter zu motivieren, und
  • Konflikte zu managen.

Emotionale Intelligenz ermöglicht es Führungskräften, empathisch auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen und gleichzeitig ein produktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Eine Studie der Harvard Business Review zeigt, dass Teams unter Führung emotional intelligenter Manager produktiver arbeiten und eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit aufweisen (Cherniss, 2001).

Die Anwendung von emotionaler Intelligenz in einer BANI-Welt bedeutet, dass Führungskräfte nicht nur empathisch, sondern auch anpassungsfähig auf unvorhersehbare Herausforderungen reagieren müssen.

Warum beide Kompetenzen Hand in Hand gehen

Wirtschaftspsychologen und Ökonomen betonen, dass Führung – besonders in Zeiten von Unsicherheit – eine Balance aus emotionalem Feingefühl und finanzieller Kompetenz erfordert. Beispiele aus der Praxis verdeutlichen dies:

  • Restrukturierungen: Eine rein finanzielle Betrachtung könnte beispielsweise auf drastische Kostensenkungen abzielen. Ohne emotionale Intelligenz, dies sensibel zu kommunizieren, riskieren Unternehmen jedoch Motivationsverluste und Widerstand.
  • Innovationsmanagement: Emotionale Intelligenz fördert Kreativität und Zusammenarbeit im Team. Finanzielle Intelligenz stellt sicher, dass Innovationen wirtschaftlich tragfähig sind.

Gerade in einer BANI-Welt ist diese Kombination essenziell: Brüchige Strukturen erfordern finanzielle Stabilität, während die nicht-linearen Herausforderungen emotionale Flexibilität verlangen.

Daher ist es heute wichtiger denn je, eine aktive Selbstreflexion zu pflegen: Regelmäßig den eigenen Führungsstil evaluieren und verbessern. Auch, wenn Führungskräfte jetzt vielleicht sagen werden: «wo soll ich denn dafür noch Zeit aufbringen?», ist diese Zeit gut investiert, da sie Fehlentscheidungen vorbeugen kann und somit am Ende wieder Zeit und Geld spart.

Fazit

Während EI essenziell ist, um Menschen zu führen und eine positive Unternehmenskultur aufzubauen, ist FI unverzichtbar für die wirtschaftliche Stabilität und strategische Ausrichtung eines Unternehmens. Die Kombination beider Intelligenzen macht eine Führungskraft besonders effektiv in der heutigen komplexen Geschäftswelt. 

Führungskräfte, die diese Kombination meistern, schaffen eine Unternehmenskultur, die nicht nur wettbewerbsfähig, sondern auch nachhaltig ist. Langfristiger Erfolg erfordert daher, dass Unternehmen gezielt in die Entwicklung dieser beiden Kompetenzen investieren.

Quellen

  • Goleman, D. (1995). Emotional Intelligence: Why It Can Matter More Than IQ. Bantam Books.
  • McKinsey & Company. (2020). The future of financial leadership.
  • Mödritscher, G. (2023). EOS #32 – Was bedeuten VUCA und BANI? https://www.youtube.com/watch?v=4X64qRoib-8
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